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Das Verbot der „Hilfeleistung zum Selbstmord“ (§ 78 StGB, 2. Tatbestand) wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11.12.2020 als verfassungswidrig aufgehoben. Ab 1.1.2022 ist daher die Hilfeleistung zum Suizid grundsätzlich erlaubt. Weiterhin verboten ist das Verleiten zum Suizid (§ 78 StGB, 1 Tatbestand) und die Tötung auf Verlangen (§ 77 StGB).
Dem Gesetzgebar ist es gestattet, Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch zu erlassen. Es ist daher noch unklar, unter welchen Umständen und welchem Personenkreisen assistierter Suizid zur Verfügung stehen wird. Der Verfassungsgerichtshof selbst hat die Ausübung des Rechts lediglich an das Kriterium einer freien Entscheidungsbildung geknüpft.
Weiterhin in Kraft bleiben alle anderen bis dahin geltenden gesetzlichen Regelungen zu Lebensende. Zu diesen zählen folgende Bestimmungen:
- Niemand darf gegen seinen Willen behandelt werden (§ 110 StGB).
- Mittels Patientenverfügung dürfen medizinische Behandlungen bereits im Vorhinein für den Fall abgelehnt werden, dass der Patient seine Entscheidungs- oder Äußerungsfähigkeit verliert.
- Mittels Vorsorgevollmacht kann eine Vertrauensperson bevollmächtigt werden, für den Patienten im Falle des Verlusts der Entscheidungs- oder Äußerungsfähigkeit zu entscheiden.
- Pflegende Angehörige haben Anspruch auf Familienhospizkarenz.
- Die Tötung aus Mitleid ist verboten (§ 75 StGB).
- Die Tötung auf Verlangen ist verboten (§ 77 StGB).
- Im Rahmen der Palliativmedizin steht die Schmerzlinderung gegenüber einem Risiko der Lebensverkürzung im Vordergrund (§ 49a ÄrzteG).


Grundsätzlich muss der Gesetzgeber nicht aktiv werden. Das Verbot des assistierten Suizids fällt mit Ende 2021, auch wenn keine weitere gesetzliche Regelung getroffen wird. Einzige Voraussetzung für eine straffreie Suizidbeihilfe wäre dann, dass der Suizidwillige einsichtsfähig ist und angenommen werden kann, dass er aus freien Stücken handelte.
Allerdings wäre dann ab 1.1.2022 jeder Beitrag zur Selbsttötung straflos, und zwar
- ohne Beschränkung nach dem Beweggrund: also unabhängig, ob aus Liebeskummer, Konkurs, Trauer, Schmerzen ….
- ohne Beschränkung der Methode: also unabhängig, ob durch Gift, Pistole oder Sprung von der Brücke, …
- ohne Beschränkung des Täters: etwa auf Ärzte, Angehörige oder gerade nicht Ärzte, Angehörige
- ohne prozedurale Schutzvorschriften bzw. spezielle Kontroll-, Aufklärungs- oder Beratungspflichten, und daher
- ohne die Möglichkeit, präventive Vorkehrungen zu verankern, um dem Suizidwilligen alternative Handlungsoptionen zu eröffnen.


Die aktuelle Rechtslage beruht auf dem „Österreichischen Weg“, der 2001 im Rahmen der parlamentarischen Enquete „Solidarität mit unseren Sterbenden“ festgelegt wurde.
2015 wurde eine weitere parlamentarische Enquetekommission durchgeführt, bei der man sich zum bisherigen Weg bekannte. Eine u.a. vom Abgeordneten Franz-Joseph Huainigg initiierte Bürgerinitiative versuchte, die Verbote der Tötung auf Verlangen sowie der Mitwirkung an der Selbsttötung in Verfassungsrang zu heben (Recht auf würdevolles Sterben). Dafür gab es schon damals keine ausreichende Zwei-Drittel-Mehrheit. Im Gegenteil: Die Mehrheit der österr. Bioethikkommission empfahl eine Auflockerung der Verbote.
2016 entschied der VfGH allerdings noch, dass § 78 StGB verfassungsgemäß sei. (Vereinsverbot, VfSlg. 20.057/2016)
2019 wurde nach einem Aufsehen erregenden Fall (Salzburger Fall) § 49a Ärztegesetz eingeführt, der die rechtliche Situation von Ärzten absichern sollten, die bei einem Sterbenskranken unerträgliche Schmerzen zu behandeln haben.
Die wesentlichen Eckpunkte des bisherigen Österreichischen Konsenses waren:
- JA zur Behandlungsautonomie
- JA zum Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung
- JA zum Beistand für Sterbende
- Nein zur Tötung auf Verlangen
- und eben: Nein zur Beihilfe zur Selbsttötung


Um möglichst zu verhindern, dass Menschen aus irrtümlicher Alternativlosigkeit Suizidassistenz in Anspruch nehmen und um möglichst vorzubeugen, dass ein Erwartungsdruck in Richtung assistierten Suizids entsteht, sollten folgende Punkte rechtlich abgesichert werden:
- Leben darf nicht bewertet werden – die getroffene Regelung sollte daher vermeiden, Leben in lebenswert und lebensunwert einzuteilen.
- Primäre Aufgabe des Staates ist die Suizidprävention und die Begleitung Sterbender. Die meisten Menschen, die einen Suizidwillen abwägen, sagen nicht, dass sie NICHT mehr leben wollen. Sie sagen, dass sie „so“ nicht mehr leben wollen. Und dieses „so“ ist gesellschaftlicher Auftrag und der Anker der Suizidprävention. Daher braucht es einen radikalen Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung, sowie der psychosozialen Krisenbegleitung und persönlichen Assistenz zum Leben bis hin zu einem Rechtsanspruch.
- Der freie Wille sollte so gut als möglich abgesichert werden. Der VfGH gesteht zu, dass der Suizidentschluss „unzweifelhaft“ vorliegen muss. Er muss ernsthaft, dauerhaft, informiert und aufgeklärt sowie frei erfolgen. In diesem Sinne braucht es ein mehrstufiges Verfahren, bei dem durch Hinzunahme der im jeweils konkreten Fall notwendigen Experten sichergestellt wird, dass der Suizidwillige nicht im Irrtum über die Umstände ist, die ihn zum Suizid bewegen. So braucht es etwa bei der Angst vor Autonomieverlust und unerträglichen Schmerzen nicht nur eine Information über die Möglichkeiten der Patientenautonomie, sondern auch die Erfahrung konkret zur Verfügung stehender Palliative Care. Zudem muss die Entscheidung immer eine aktuelle und höchstpersönliche sein. Sie darf weder vorausverfügt werden, noch in Vertretung erfolgen.
- Das Vertrauen in die Gesundheitsberufe sollte geschützt werden. Suizidassistenz darf daher weder als Leistung von Ärzten noch sonst eines Gesundheits- oder Pflegeberufes klassifiziert werden.
- Die Ablehnungsfreiheit sollte sichergestellt werden. Niemand – weder eine individuelle Person, noch eine organisatorische Einheit – darf dazu gedrängt werden, an Suizidassistenz mitzuwirken oder sie in seinem Einzugsbereich zu dulden – weder indirekt noch direkt.
- Die Absicherung des freien Willens sowie die Ablehnungsfreiheit sollte mithilfe des Strafrechts erfolgen.
- Das Verbot der Tötung auf Verlangen sollte mit einer 2/3 Mehrheit abgesichert werden.
Rechtslage international
"Tötung auf Verlangen" wird im internationalen Kontext mit dem Begriff "Euthanasie" bezeichnet. Hilfe zur Selbsttötung wird auch als Suizidbeihilfe, assistierter Suizid oder Suizidassistenz genannt.
Einige Regelungen im Überblick (bitte Karte anklicken):




















Belgien
Im Mai 2002 hat die belgische Abgeordnetenkammer ein „Gesetz zur Euthanasie“ verabschiedet. Sowohl die Tötung auf Verlangen durch einen Arzt als auch der assistierte Suizid sind erlaubt. Ende 2013 stimmte der belgische Senat für eine Ausweitung der Regelung auf Minderjährige ohne jegliche Altersbegrenzung. Die Abgeordnetenkammer stimmte dieser Regelung im Februar 2014 zu.
Seit 2002 sind die Zahlen von 24 auf 2.656 (2019) gestiegen. Ein jüngst veröffentlichter Bericht der Universität Gent stellt dem Kontrollsystem ein schlechtes Zeugnis aus. Statt restriktiv nur bei schweren, unheilbaren und unerträglichen Krankheiten angewendet zu werden, wird immer öfter bloße „Lebensmüdigkeit“ oder „Polypathologie“ akzeptiert. Letzteres ist nichts Anderes als durchschnittlich auftretende Gebrechlichkeit im Alter.
Parallel dazu lehnten 2019 bereits 40% der Belgier kostspielige medizinische oder pflegerische Behandlungen für hochaltrige Personen ab.
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Dänemark
In Dänemark dürfen Patienten seit 1992 lebenserhaltende Maßnahmen verweigern, dazu dient unter anderem auch die Patientenverfügung, die in einem zentralen Register erfasst wird. Ärzte sind verpflichtet, dieses Register zu konsultieren, wenn sie lebenserhaltende Maßnahmen vornehmen wollen.
xDeutschland
„Aktive Sterbehilfe“ ist verboten. Grundsätzlich straffrei ist allerdings der assistierte Suizid. Allerdings haben sich die Ärzte in ihrem Berufsrecht selbst ein Verbot auferlegt.
2015 wurde in Deutschland ein Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung beschlossen (§ 217 Deutsches Strafgesetzbuch), um zu verhindern, dass sich Sterbehilfevereine in Deutschland breit machen.
2017 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden dass Natrium-Pentobarbital in tödlicher Dosis ausgegeben werden darf. Die Durchführung dieser Entscheidung scheiterte bis zuletzt an einem Veto des deutschen Gesundheitsministers Spahn.
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 ist auch das „Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe“ gefallen.
Das Urteil des BVfG ist sehr weitgehend, weil es ein Grundrecht auf assistierten Suizid für jedermann vorsieht. Als Folge wurde nunmehr auch das Verbot für Ärzte, Suizidassistenz zu leisten, aus der Berufsordnung gestrichen. Damit steht es Ärzten nur frei, bei Suiziden mitzuwirken, auch wenn der deutsche Ärztekammerpräsident immer noch betont, dass Suizidassistenz nicht zu einer ärztlichen Aufgabe und normalen Dienstleistung werden dürfe. Primäres Ziel eines Arztes sei weiterhin „Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken“. Der Ärztetag sprach sich auch dagegen aus, dass Ärzte für Nichterkrankte eine Indikation oder Beratung anbieten oder sie gar bei der Durchführung eines Sterbewunsches unterstützen dürften.
Derzeit diskutiert Deutschland wieder, wie assistierter Suizid in Folge geregelt werden soll.
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Frankreich
Nach einem Gesetz von 2005 ist „aktive Sterbehilfe“ strafbar. Ärzte dürfen die Behandlung unheilbar Kranker jedoch beenden oder begrenzen, wenn der Patient dies wünscht.
Die Zulassung „aktiver Sterbehilfe“ wird derzeit heftig diskutiert. Zuletzt scheiterte aber ein Gesetzesentwurf aufgrund zahlreicher Änderungsanträge, die eine Abstimmung verhinderten.
Bemerkenswert ist ein dringender Appell von Philippe Pozzo di Borgo (bekannt aus der Verfilmung seines Lebens in "Ziemlich beste Freunde"), die Einführung von Euthanasie zu verhindern: "N’abolissez pas nos vies !"
xGroßbritannien
In Großbritannien ist aktive Sterbehilfe verboten. Auch die Beihilfe zur Selbsttötung ist ein Straftatbestand.
xItalien
Vergleichbar mit der Situation in Deutschland fällt die „aktive Sterbehilfe“ grundsätzlich in den Anwendungsbereich des strafrechtlichen Verbots der vorsätzlichen Tötung. Bei einer Tötung aus Mitleid kann eine Strafmilderung gewährt werden. Abweichend von der deutschen Rechtslage sind auch die Verleitung und die Beihilfe zur Selbsttötung strafbar.
xKanada
Kanada ist ein weiteres trauriges Beispiel für slippery slope. In Kanada sind sowohl die Tötung auf Verlangen als auch der assistierte Suizid seit 2016 erlaubt. Mittlerweile ist sie auch für chronisch Kranke ohne todesnahe Prognose und psychisch Erkrankte zugelassen. Die Wartefrist von 10 Tagen bei Schwerkranken ist gefallen. Hospize fallen aus der staatlichen Förderung, wenn sie keine Euthanasie zulassen. In einem offiziellen Bericht wurde erhoben, wieviel sich das kanadische Gesundheitssystem durch Euthanasie nach dem Medical Assistance in Dying Act erspart: 89,6 Mio. CAD (56 Mio. Euro). Sterbewillige werden zudem proaktiv angesprochen, im Zuge der geplanten Tötung auch ihre Organe zu spenden.
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Luxemburg
Im März 2009 trat ein Sterbehilfegesetz in Kraft, das "aktive Sterbehilfe" wie in den Niederlanden und Belgien unter bestimmten Umständen erlaubt. Bereits 2008 hatte das Parlament das Gesetz mit knapper Mehrheit beschlossen, doch Großherzog Henri I. weigerte sich aus Gewissensgründen, das Regelwerk zu unterzeichnen. Daraufhin focht das Luxemburger Parlament eine Verfassungsänderung durch und beschränkte die Rolle des katholischen Staatsoberhaupts auf eine rein repräsentative.
xNiederlande
Die Niederlande haben 2001 als erstes Land der Welt ein Sterbehilfe-Gesetz verabschiedet. Danach sind „Sterbehilfe“ und ärztliche Hilfe bei der Selbsttötung nicht strafbar, wenn ein Patient aussichtslos krank ist und unerträglich leidet sowie mehrfach und ausdrücklich um „Sterbehilfe“ gebeten hat. Seither sind die Zahlen von 1.882 rasant auf 6.361 (2019) gestiegen. Damit sterben in den NL täglich (!) 17 Menschen durch Euthanasie. Zugelassen sind, wie in Belgien, auch Kinder. Ebenso Demenzkranke. Diskutiert wird die „Letzte Wille Pille“ für jedermann ab 75 aufgrund von "Lebenssattheit".
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Österreich
In Österreich ist ab 1.1.2022 nur noch die Tötung auf Verlangen verboten.
Näheres dazu unter Rechtslage in Österreich
Portugal
Das portugiesische Parlament wollte sowohl die Tötung auf Verlangen als auch den assistierten Suizid legalisieren. Präsident Marcelo Rebelo de Sousa weigerte sich aber, das Gesetz zu unterzeichnen und legte es dem Verfassungsgerichtshof zur Beurteilung vor. Dieser verlangte nun Nachbesserungen.
xSchweiz
In der Schweiz ist „Sterbehilfe“ zwar weithin gesellschaftlich akzeptiert, eine aktive Unterstützung – wie etwa Tötung auf Verlangen – ist aber auch dort verboten. Die Gesetze erlauben jedoch, aus nicht-selbstsüchtigen Motiven sterbenskranken Menschen auf Wunsch Beihilfe zum Suizid zu leisten. Bei der Einnahme eines tödlichen Medikaments dürfen Sterbebegleiter sowie Angehörige und Freunde zugegen sein. Die Sterbehilfe-Organisation Exit akzeptiert nur Antragsteller, die ihren festen Wohnsitz in der Schweiz haben. Offen für Sterbewillige aus aller Welt ist die Organisation Dignitas.
Seit 2010 haben sich die Zahlen der assistierten Suizide in der Schweiz mit 1.176 Fällen im Jahr 2018 verdreifacht. Diese Zahlen umfassen nur Personen mit Schweizer Wohnsitz und kommen zusätzlich zu den „nicht assistierten“ Suiziden dazu. Auch Strafgefangenen steht assistierter Suizid zu. Nun will ein zweiter Kanton Pflegeheime verpflichten, Sterbehilfe in ihren Räumen zuzulassen.
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Spanien
Im März 2021 hat Spanien nunmehr sowohl assistierten Suizid als auch Tötung auf Verlangen legalisiert.
Um eine Beihilfe zum Suizid oder eine Tötung auf Verlangen zu erhalten, müssen die Patienten volljährig und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sein. Zudem müssen sie an einer unheilbaren Krankheit oder schweren, chronischen Behinderung leiden, welche den Betroffenen unerträgliches Leid zufügen. Psychische Erkrankungen sind derzeit noch nicht davon erfasst.
Die Kosten soll die Krankenkasse übernehmen.
xUS-Oregon
Oregon – ein relativ kleiner US-Bundesstaat mit einer Einwohnerzahl von 4,2 Mio. – wird gerne als „positives“ Beispiel zitiert, weil dort seit 1997 „nur“ assistierter Suizid zugelassen ist. Aber auch in Oregon steigen die Zahlen mittlerweile exponentiell. Waren es 2013 noch unter 100 Personen, so sind es 2020 bereits 250.
xBesorgniserregende Entwicklungen
In den Ländern, in denen „Sterbehilfe“ legal ist, lassen sich einige, durchaus besorgniserregende Entwicklungen beobachten:
- Die Zahlen steigen
Die Zahlen von Todesfällen durch assistierten Suizid bzw. Tötung auf Verlangen steigen in allen Ländern ohne Ausnahme. Die Zahl der gesamten Suizide („normale“ Suizide plus assistierte Suizide/Tötungen auf Verlangen) steigt. Angebot schafft Nachfrage - dieses wirtschaftliche Prinzip zeigt sich auch im Bereich des Suizids.
Schweiz: 1009 Menschen mit Wohnsitz in der Schweiz haben sich 2017 mittels Sterbehilfe-Organisationen das Leben genommen, fünfmal mehr Menschen als noch 2003. „Normale“ Suizide sind im gleichen Zeitraum von 1300 auf 1000 Fälle gesunken. Insgesamt sind die Todesfälle durch Suizid also gestiegen. (Quelle: Schweizerisches Bundesamt für Statistik)
Belgien: 2004 wurden in Belgien 349 Todesfälle durch assistierten Suizid bzw. Tötung auf Verlangen verzeichnet. 2019 betrug die Zahl 2655 Tote. Das bedeutet eine Steigerung um mehr als 700 Prozent. (Quelle: Commission fédérale de contrôle et d'évaluation de l'euthanasie)
Niederlande: In den Niederlanden lag die Zahl der offiziell gemeldeten assistierten Suizide und Fälle von Tötung auf Verlangen im Jahr 2018 bei 6126 (Tötung auf Verlangen: 5898 Fälle, Ass. Suizid: 212, Kombination: 16). Das sind mehr als 16 Todesfälle pro Tag. Im Jahr 2007 wurden 2321 Tötungen verzeichnet. (Quelle: Regionale Kontrollkommission für Sterbehilfe (RTE))
Kanada: Tötung auf Verlangen und assistierter Suizid wurden in Kanada ab Juni 2016 legalisiert. Im Zeitraum bis Dezember 2016 gab es 1050 Tötungen, im Jahr 2017 insgesamt 2833 Tötungen und 2019 bereits 5631 Tote durch Tötung auf Verlangen und assistierten Suizid. (Quelle: Jahresbericht 2019).
- Der Druck auf vulnerable Personengruppen nimmt zu
Der Druck auf vulnerable Menschen, die etwa alt, behindert oder krank sind, steigt durch eine Legalisierung von assistiertem Suizid bzw. Tötung auf Verlangen. Wenn das Angebot des assistierten Suizids bzw. der Tötung auf Verlangen besteht und als medizinische Leistung kategorisiert ist, muss es den betreffenden Personen als „Behandlungsalternative“ auch angeboten werden. „Du KANNST dich für den Tod entscheiden.“ Daraus kann auch werden: „Du SOLLST dich für den Tod entscheiden.“ Gerade der Druck der Angehörigen, die oftmals mit der Pflege überfordert sind, kann groß werden und ohnehin verletzliche Menschen möchten nicht zur Last fallen. Neben der sozialen Pression entfaltet das Wirtschaftlichkeitsgebot im medizinischen Bereich seine Folgen. So wird im US-Bundesstaat Oregon die Kostenübernahme für bestimmte Therapien von Krankenversicherungsträgern ausgeschlossen, während der assistierte Suizid bezahlt wird. Außerdem wurden die Bedingungen für die Inanspruchnahme von assistiertem Suizid ausgedehnt auf chronische, behandelbare Krankheiten wie Diabetes oder Arthritis, deren Therapie aber sehr teuer ist. In Kanada errechneten Ökonomen die erhebliche Kostenreduktion im Gesundheitsbereich, wenn die dort legalisierte Tötung auf Verlangen/assistierter Suizid auf chronisch Kranke ausgedehnt werden würde und die Wartefrist von schwerkranken Patienten reduziert werden würde.
- Die Grenzen halten nicht
Ein Blick in die Länder, die assistierten Suizid bzw. Tötung auf Verlangen legalisiert haben, zeigt, dass die ursprünglichen legislativen Grenzen nicht halten. In den Niederlanden dürfen mittlerweile psychisch kranke (Depression, Suchtkrankheit etc.) und demente Menschen Tötung auf Verlangen/assistierten Suizid in Anspruch nehmen. Inwieweit ein Demenzpatient oder eine psychisch kranke Person in der Lage ist, „frei“ über den Todeszeitpunkt zu entscheiden, ist nicht geklärt. Jedenfalls bestimmte das niederländische Höchstgericht, dass eine Tötung „auf Verlangen“ auch bei dementen bzw. nicht entscheidungsfähigen Personen aufgrund einer in der Vergangenheit errichteten Patientenverfügung rechtskonform durchgeführt werden könne. Auch schwerkranke Minderjährige zwischen 12 und 18 Jahren dürfen getötet werden.
In Belgien wurde Tötung auf Verlangen/assistierter Suizid bereits 2014 auf Minderjährige ausgedehnt. Auch Demenzpatienten bzw. Komapatienten dürfen aufgrund einer vorherigen Willenserklärung, dass sie Tötung auf Verlangen zu einem bestimmten Zeitpunkt in Anspruch nehmen möchten, getötet werden. Die Willenserklärung behält lebenslange Gültigkeit. Es besteht eine Weiterleitungspflicht für Ärzte, die die Tötung bzw. Tötungsassistenz nicht durchführen möchten, sowie die Verpflichtung für Pflegeeinrichtungen, assistierten Suizid/Tötung auf Verlangen anzubieten.
Sowohl in Belgien als auch in den Niederlanden nehmen die Fälle von Organspenden nach assistiertem Suizid/Tötung auf Verlangen zu. Einige Wissenschaftler plädierten sogar in einer medizinischen Fachzeitschrift für den Tod durch Organspende, da die Organe so im besten Zustand weitergegeben werden könnten.
- Suizid etabliert sich als normale Form der Lebensbeendigung
„In den Niederlanden werde in Alters- und Pflegeheimen inzwischen offen Sterbehilfe angeboten, weswegen sich ältere Menschen in grenznahen Regionen schon dazu veranlasst gesehen hätten, nach Deutschland in entsprechende Einrichtungen auszuweichen. (…) Diese Ansätze sprechen für die Gefahr, dass sich Sterbe- und Suizidhilfe – auch angesichts des steigenden Kostendrucks in den Pflege- und Gesundheitssystemen – zu normalen Formen der Lebensbeendigung in einer Gesellschaft entwickeln können, die geeignet sind, soziale Pressionen zu begründen und individuelle Wahlmöglichkeiten und Entscheidungsspielräume zu verengen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Versorgungslücken in der Medizin und der Pflege geeignet sind, Ängste vor dem Verlust der Selbstbestimmung hervorzurufen und dadurch Suizidentschlüsse zu fördern.“ So lautet die Sorge des Deutschen Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 26.2.2020, mit dem es das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe aufhob. Dass diese Sorge keine Zukunftsangst, sondern bereits Realität ist, zeigt eine Umfrage unter niederländischen Ärzten. Die Hemmschwelle zu töten, sinke laut der veröffentlichten wissenschaftlichen Studie immer weiter. Auf der anderen Seite gaben Personen mit Todeswünschen in einer ebenfalls niederländischen Studie an, Angst vor Einsamkeit zu haben, nicht zur Last fallen zu wollen und Geldmangel an.
Eine weitere Facette einer gesellschaftlichen Etablierung von Suizid zeigt sich in der Schweiz. Hier schaltete die Sterbehilfeorganisation Exit im Privatfernsehen bereits Werbespots mit prominenten Personen, die für einen „selbstbestimmten Tod“ warben.